Wo geht es noch einmal lang? – Das GPS des Gehirns in 3D

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Letzte Woche wurde der diesjährige Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entdeckung des „Navigationssystems“ des Gehirns – genauer im Hippocampus – verkündet. Wir waren dem Karolinska Institutet in Stockholm bereits einen Schritt voraus und durften letzten Monat den Hippocampus 54 Mal in 3D ausdrucken.

Wie nun das „GPS“ des Gehirns funktioniert, was der Hippocamus damit zu tun hat und wer ihn letztendlich 54 mal drucken lies, erfahrt ihr in unserem heutigen Blogbeitrag.

Wer navigiert uns eigentlich durch das Leben?

Evolutionsgeschichtlich betrachtet, scheint das „menschliche Navigationssystem“ eine sehr alte Funktion des Gehirns zu sein, denn die Nahrung kam zu den Urmenschen nicht per Pizza Service oder Take Away, sondern sie mussten sich auf die Suche nach dieser machen. Ferner scheint der Orientierungssinn auch genetisch beeinflußt zu sein, was natürlich eine plausible Erklärung dafür wäre, warum manche Menschen ohne Google Maps auch in einer fremden Stadt ihren Weg finden und andere ziellos herumirren.

Wie die Gruppe um den Neurowissenschaftler John O`Keefe sowie seine ehemaligen Mitarbeiter May-Britt und Edvard Moser aus Trondheim herausfanden, sind unterschiedliche Zellgruppen im Bereich des Hippocampus damit beschäftigt, uns durch unser Leben zu navigieren. Der Hippocampus (Seepferdchen) liegt im Temporallappen, einem Teil des Großhirns, und ist eine zentrale Schaltstation im limbischen System, welches das Zentrum unserer Emotionen darstellt. Das norwegisch-britische Forschertrio wurde nun für ihre über drei Jahrzehnte dauernde Forschungsarbeit ausgezeichnet, die in der Entdeckung der sogenannten Ortszellen und Rasterzellen mündete.

Mit dem Nobelpreis wurde endlich einmal der Mut zu neuer Technik, wie es heute auch der 3D Druck ist, belohnt. O`Keffe griff bereits in den späten 1960er Jahren zur damals noch sehr selten in vivo angewendeten Methode Neuronen zu implantieren, um die Aktivitäten von Hirnneuronen zu überwachen. Sein Interesse galt insbesondere der Hinregion des Hippocampus, in welchem er das Zentrum für das Erkennen von Orten vermutete. Diese Vermutung steht nicht erst seit gestern im Raum, denn bereits Immanuel Kant stellte in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ (1787) fest „(…) dass Raum und Zeit nur Formen der sinnlichen Anschauung, also nur Bedingungen der Existenz der Dinge als Erscheinungen sind (…)“. Also bereits damals wurde schon vermutet, dass die Wahrnehmung von Raum und Zeit irgendetwas mit dem Gehirn zu tun haben musste. Das erste wissenschaftliche Konzept zur Existenz einer „kognitiven Landkarte“ stellte 1948 der US Psychologe Edward Tolman auf. Jedoch ging man 1948 noch davon aus, dass man Orientierung rein „behavioristisch“, d.h. durch bloßes Verhalten erwirbt. Durch zahlreiche in vivo Studien weiß man nun, dass Netzwerke verschiedener Zellen im Bereich des Hippocampus unsere Richtung vorgeben.

 

Wie funktioniert der Hippocampus nun?

Die Bedeutung des Hippocampus für die Orientierung wurde in den vergangen Jahren immer deutlicher, nachdem man auch einen Zusammenhang zwischen einem Schlaganfall und dem Verlust der räumlichen Orientierung des Patienten sah. Ferner zeigt sich das Krankheitsbild der Alzheimererkrankung zunächst ebenfalls in einer „Orientierungslosigkeit“ der Erkrankten, was auf eine beginnende Neudegeneration im Hippocampus zurückzuführen ist. Drei miteinander kooperierende Neuronentypen, die wie eine Kette hintereinander geschaltet sind, koordinieren im Hippocampus unsere Orientierung:

Wo unsere Umgebungskarten mental entworfen und abgespeichert werden, entdeckte O`Keffe bereits 1971, als er im Hippocampus auf die sogenannten Ortszellen (Place Cells) stieß. Diese Zellen senden Signale aus, wenn man sich einem bestimmten Ziel nähert, wie er in seinen Experimenten mit Nagern feststellte. Neben den Ortszellen wurden 1985 die Kompass- oder Kopfrichtungszellen (Head Direction Cells) entdeckt, die dafür verantwortlich sind, dass sich die „mentale Landkarte“ bei Kopfdrehungen automatisch mitdreht.

Der noch fehlende dritte Neuronentypus, die sogenannten Rasterzellen (Grid Cells), wurden durch das norwegische Forschteam im letzten Jahr entdeckt. Die Rasterzellen unterteilen den Raum in eine Art Koordinatensystem aus Breiten- und Längengeraden, wodurch dieser quasi wie ein Stadtplan in Planquadrate aufgeteilt wird. Wird der Knotenpunkt eines Rasters mit einem anderen erreicht, dann senden die Rasterzellen Signale, auch als „Feuerwerk“ bezeichnet, aus. Man geht davon aus, dass diese Zellen die Abstände zwischen den Rastern messen.

Das innere Navigationssystem ist selbstverständlich nicht statisch, sondern wird ständig aktualisiert, wie die Forschung nachweisen konnte, indem sie bei ihren in vivo Experimenten die vorgegebenen Räume, wie z.B. das Verstellen von Trennwänden, veränderten. Natürlich wächst die Karte stetig durch das Erkunden neuer Orte mit. Durch das Abspeichern dieses „GPS“ wird es uns ermöglicht, auch nachts im Dunklen problemlos den Weg zum Kühlschrank zu finden.

Die Neuentdeckung funktionierte nur durch die gute Zusammenarbeit in interdisziplinären Forschgruppen aus den Bereichen Physik, Mathematik, Programmierung, Statistik, Psychologie sowie Neurobiologie und unter Anwendung von Fasermikroelektroden, die aufgrund ihrer extremen Feinheit (dünner als ein Haar) über 180 Nervenzellen gleichzeitig erfassen konnten.

 

Der Hippocampus in 3D

Eine ähnlich interdisziplinäre Forschergruppe sitzt nun auch in Deutschland, präziser an der Ruhr- Universität in Bochum. Hier wird an der Fakultät für Psychologie in dem von der Mercator Stiftung unterstützten Forschungskolleg „Structure of Memory” ebenfalls Prozesse im Großhirn erforscht, genauer episodische und semantische Gedächtnisprozesse und ihre Beziehung zu anderen kognitiven Funktionen. Eine der drei Forschungsgruppen des Kollegs, das sich mit der funktionellen Architektur des Gedächtnisses, der Neurologie des Gedächtnisses sowie der Theorie des Gedächtnisses auseinandersetzt, hat sich im Rahmen ihres Forschungsprojektes aus dem Bereich Computational Neuroscience of Learning and Memory auf die Erforschung des Hippocampus spezialisiert. Diese Forschungsgruppe hat nun den Hippocampus in 3D visualisiert und ihn vom 3D-Druckservice von trinckle 3D in 54facher Ausführung in weißem Polyamid ausdrucken lassen.

hippocampus

Dr. Martin Pyka, Postdoc in der Forschungsgruppe, setzt sich in seiner Forschung mit der Struktur des Hippocampus und dessen dreidimensionaler Darstellung auseinander. Er beschreibt den Hippocampus als zwei ineinander verschachtelte U-Strukturen, die sich durch alle drei Raumachsen winden. Diese Stuktur lässt sich, seiner Ansicht nach, anhand von Schichtbildern nur schwer verstehen, so dass die 3D gedruckte Variante immense Vorteile mit sich bringt. Die haptische Variante  lässt einen sofort erkennen, so Pyka, wie der Hippocampus genau aussieht und wie er im Raum liegt. „Er macht etwas sichtbar, was sich mit dem dreidimensionalen Vorstellungsvermögen des Menschen nur schwer aus Schichtbildern erkennen lässt.“ Damit auch die Teilnehmer der diesjährigen internationalen Summer School „Memory and Mind“ (September 2014, Ruhr-Universität Bochum) das komplexe System des Hippocampus besser verstehen konnten, erhielten sie als Werbegeschenk das von uns ausgedruckte Exemplar.

Wer sich genauer über 3D Darstellungen im Bereich Neuro Science informieren möchte, findet interessante Anregungen und Informationen unter http://www.martinpyka.de/

Wenn Ihr auch virtuelle Modelle aus dem Wissenschafts- und Medizinbereich habt und möchtet diesen ebenfalls eine haptische Form geben, seid ihr beim Druckservice von trinckle 3D genau richtig. Wir freuen uns, Euch in der Umsetzung zu unterstützen